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Törnbericht 4

Schiff: PEGGY Crew: Wolfgang (Wolle), Thomas (Tom) und Skipper-Titus Datum: 05. - 08. Mai 2006 Diese Tour ist ausführlicher beschrieben als die anderen Törns. Nicht immer geht alles glatt. Ganz bestimmt auch bei mir nicht. Ich stehe auf dem Standpunkt, Fehler passieren, man muss nur daraus lernen. Wenn Du Skipper immer hörst, wie toll sie sind, wie reibungslos alles geklappt hat, glaube es ihnen nicht. Keiner ist vollkommen. Alle haben Dreck am Stecken! :-) Nun aber zur Tour: Nach bestandener SBF Binnen Prüfung im vorangegangenen November 2005, wollte ich endlich mal auf einem Schiff als Skipper fahren. Diese Tour bot Einiges. Leider auch wenig Erfreuliches. Aber ich stehe zu meinen Fehlern. :-) Die Charter der Peggy war das Resultat eines bald halbstündigen Gespräches zwischen mir und Nüssing auf der Boot2006. Sie waren die Einzigen, die nicht lachten, als ich Ihnen von meinen Plänen erzählte. Ich gebe zu, ich war auch ein wenig stolz auf meinen SBF Binnen. Heute muss ich über mich selber schmunzeln. In einer Wassersportzeitschrift wurde Euro-Charter ebenfalls empfohlen. Wir konnten eigentlich nichts falsch machen. Als wir am Freitag, dem 05.05.2006 aus Marl los fuhren, verhieß der Wetterbericht zunächst nichts Gutes. Wir hatten wochenlang vor unserer Tour das beste Wetter. Eine Woche vor Abfahrt schlug das Wetter um, wir ahnten Böses. Wir machten uns um 8:30 Uhr auf den Weg nach Sneek. Als wir bei Euro-Charter ankamen, waren wir überrascht. Zunächst einmal hatten wir 25 Grad Celsius und nur leichte Bewölkung, zum Anderen wurden wir von der Größe der PEGGY in ihren Bann gezogen. 11,50m lang. Geiles "Bööööööötchen"! Ein wenig flau im Magen war mir schon, ließ mir aber bei meiner Crew nichts anmerken...Der "Pott" war größer, als ich dachte. Ich hatte zwar schon größere Schiffe (Plattbodenschiff) lenken dürfen, aber eigenverantwortlich als Skipper? Nur einmal, und das ging 20 Jahre vorher auch nur mit Gepolter. O.K.! Augen zu und durch. Nach einem Kaffee im Büro von Euro-Charter machte sich Herr Nüssing daran, uns in die Schiffstechnik einzuweisen. Eine ausgiebige Probefahrt mit Anlegemanövern absolvierten wir in einem Nachbarhafen. Wie grün wir waren, stellte sich erst viel später heraus. Herr Nüssing erzählte uns, dass eine vorherige Crew die Peggy "aufgesetzt" und jede Menge Sand in den Filter gedrückt hatte. Es fiel auch der Begriff "gebrochener Rumpf". Wir fragten aber nicht weiter nach, hätten wir aber besser mal getan... Nach der Einweisung fuhren wir um 14:00 Uhr los. Ein tolles Gefühl! So groß wie Peggy schien, so leicht ließ sie sich steuern. Meine Steine im Magen lösten sich auf. Wir fuhren Richtung Lemmer und bereiteten uns seelisch und moralisch auf unser erstes gemeinsames Anlegemanöver vor. Wir sprachen alles durch, jeder bekam seine Aufgabe. Als wir um 16:30 Uhr in Lemmer anlegten, klappte alles, wie am “Schnürchen”. Wir lagen fest vertäut vor Lemmer auf der linken Kanalseite. Als wir die Maschine ausmachten, köpften wir jeder eine Flasche Potts. Nachdem das Adrenalin vom Anlegemanöver langsam abgebaut war, fiel uns auf, dass wir an der Seite, an der wir lagen, keine Toiletten, keine Duschen und keinen Landstromanschluss hatten! Die Peggy in Lemmer an der "falschen" Kanalseite... Nach kurzem Überlegen schickten wir uns an und lösten erneut die Leinen. Unsere Flaschen Bier waren ja nur angetrunken, noch nicht einmal die Hälfte war erreicht. So hatten wir binnen 30 min. 2 Anlege- und ein Ablegemanöver gefahren. Wir lagen nun am Passantenhaven kurz vor Lemmer auf der rechten Seite. Hier gab es alles, was unser Skipperherz erfreute. Abends machten wir uns zu Fuß auf den Weg Richtung Innenstadt von Lemmer. Als wir spät abends wieder an Bord der Peggy waren, vernahmen wir merkwürdige Klopfgeräusche. Keiner von uns dreien konnte einschlafen. So machten wir uns so gegen 2 Uhr nachts auf die Suche. Woher kamen die ominösen Klopfgeräusche? Hatten wir Wassereinbruch? Hatte Herr Nüssing nicht etwas von "aufgesetzt" und "Sand im Filter" erzählt. War da nicht sogar ein "gebrochenen Rumpf" erwähnt worden? Oh,oh! Dem mussten wir auf den Grund gehen. Wir haben das ganze Schiff durchsucht. Wir machten die Quelle der Klopfgeräusche im Vorschiff aus. Deswegen bauten wir das komplette (!) Vorschiff auseinander. Die vordere Sitzgruppe wurde demontiert, die Bodenplatten ebenfalls und achtern verstaut. Wir blickten nun auf den Rumpf der Peggy, aber halt von Innen. Tom lag bis zum Bauch im Vorschiff der Peggy und überprüfte das Bugstrahlruder auf Leckagen. Wir fanden nichts, die Bilge war "furztrocken". Die Klopfgeräusche konnte man zwar nach dem Abau der Inneneinrichtung umso deutlicher hören, wir fanden aber die Ursache nicht. Entnervt bauten wir alles wieder zusammen und legten uns um 3:15 Uhr schlafen. Wir waren nun so müde, daß der "Kahn" hätte absaufen können, uns war es mittlerweile egal. Fotos existieren von dieser Aktion leider nicht, wir hatten echt Stress und zum fotografieren keine "Zeit" (Bock). Leider! Am Samstag, dem 06.05.2006 fuhren wir, nach einer kurzen Nacht, um 10:00 Uhr los. Unser Tagesziel hieß Stavoren. Tom wollte dort mal hin. Zu Seglerzeiten sind Tom und ich dort öfters mal mit den Plattbodenschiffen gewesen. Über Sloten, Woudsend fuhren wir auf das Heeger Meer. Über "De Fluessen" kamen wir um 16:30 Uhr in Stavoren an. Stavoren war gerammelt voll. Weder in der Marina von Stavoren, noch an den eigentlich für Schiffe von Peggys Größe vorgesehenen Anlegern war etwas frei. Da uns allmählich starke Boen das Leben schwer machten, entschied ich mich, an einem Anleger festzumachen, der eigentlich für Segelboote gedacht war. Die sind in der Regel um einiges schmaler als die Peggy. Die ersten Anlegeversuche scheiterten. Immer wieder blies der böige Wind die Peggy seitlich weg. Wir trieben von einer Anlegebucht zur Nächsten. Nach dem 5. Versuch nahm ich mir ein Herz und drückte die Peggy mittels Gashebel in eine Bucht hinein. Dank der Aufmerksamkeit vom Tom konnten wir Schlimmeres verhindern. Einer der Poller, die in den Kanal als Festmachpoller gerammt waren, schlidderte am Rumpf der Peggy entlang. Das wäre halb so wild gewesen, hätte der Poller keine Metallkappe gehabt. Es kam, was kommen musste: Wir zeichneten der Peggy unsere erste Schramme ins Blechkleid...Autsch! Die fröhliche Stimmung war dahin. Wir hatten der Peggy eine Schramme von 20cm verpasst. Mist! Egal, wir lagen fest, der Wind brieste immer weiter auf und entwickelte langsam Sturmqualitäten. Unsere 500 Euro Kaution flogen gedanklich schon Richtung Euro-Charter. Wir waren alle drei bedient. Am Sonntag, dem 07.05.2006 legten wir um 9:30 Uhr aus Stavoren ab. Irgendwie lag uns Stavoren nicht: Wolle kam mit shampooweißen Haaren vom Duschen wieder. Für 0,50 Euro konnte man in Stavoren lediglich 2 Minuten duschen! Zu kurz für Wolles Astralkörper. Eine weitere Münze hatte er nicht dabei. Das Shampoo in den Haaren musste er sich an Bord der Peggy auswaschen... In Lemmer konnte man 8 min. duschen. Das langt allemal. Der Wind blies nun mächtig mit 7-8 bft. In Böen erreichte er auch "freundliche" 10 bft. Wir wollten nach Joure. Auf dem Weg dorthin fuhren wir über den Jeltesloot. Hier war an der Jelteslootbrücke eine Großbaustelle. Vor der Brücke tummelten sich zahlreiche Boote, die durch die Brücke wollten. Der Wind blies mit 7-8 bft. von steuerbord querab. Wir machten die Peggy an der rechten Seite des Kanals fest, da die Brücke nur halbstündlich öffnete und dann immer nur für eine Richtung. Wir mussten also warten. Von hinten näherte sich ein älterer Mann in einer Schaluppe und forderte uns auf, gefälligst den Anleger nicht komplett mittig in Beschlag zu nehmen. Wir sollten ein ganzes Stück vorziehen, damit noch andere Boote anlegen konnten. Wir sahen ein, dass wir uns ziemlich breit machten und starteten die Maschinen, um die Peggy vorzuziehen. Tom ging von Bord und löste die Leinen. Wolle und ich blieben an Bord. In dem Moment, wo Tom die letzte Leine löste, machte die Peggy durch eine Böe einen Satz nach backbord. Tom versuchte noch, mit der Hilfsleine die Peggy wieder an Land zu ziehen. Keine Chance. Der Wind hatte die Peggy nun richtig gepackt und trieb uns vom Ufer weg. Der alte Mann lachte sich schlapp, ich hätte ihn erwürgen können. Statt uns zu helfen, hatte er nur Spott für uns übrig. Ich rief Tom zu, er solle die Leine rüberwerfen und nicht mehr versuchen, uns an Land zu ziehen. Zu groß schien mir die Gefahr, dass Tom ins Wasser fiel und zwischen Peggy und die Kanalmauer kam. Ich rief ihm zu, dass er über die Brücke auf der anderen Seite des Kanals wieder an Bord kommen sollte. Wolle und ich manövrierten die Peggy durch die enge Brückendurchfahrt, der Brückenwärter hatte Tränen in den Augen vor Lachen! Hinter der Brücke erblickten wir ein weiteres Chaos. Auch hier tummelten sich an die 20 Boote. Sie alle kämpften mit den Böen, die sie an die Kanalmauer zu drücken drohten. Mit etwas Glück konnten wir mehrere Kollisionen verhindern und legten nach ca. 100 m auf der linken Kanalseite an. Wir mussten ja noch Tom an Bord nehmen. Nachdem Tom über mehrere Stacheldrahtzäune und diversen Entwässerungsgräben gesprungen war, kam er wieder an Bord. Wir standen nun vor dem nächsten Problem. Wir kamen von der Kanalmauer nicht weg! Der Wind ballerte von steuerbord und presste uns somit an die Kanalmauer. Es gab weit und breit keine Möglichkeit, eine Spring zu setzen, damit wir mit Hilfe der Leine ablegen konnten. Ich gab langsam Gas und versuchte vorsichtig von der Kanalmauer los zu kommen. Anfangs ging alles gut. Die Fender verhinderten, dass wir direkten Kontakt zur Mauer bekamen. Doch dann kamen wir an einem alten Teilstück des Kanals. Hier lugten einige Metallbolzen von den alten Holzbohlen hervor. Eine davon erwischte die Peggy an ihrer Bachbordseite annähernd auf Wasserlinie. Dieses Geräusch werde ich nie vergessen! Auf einer Länge von mind. 2m zog uns der Bolzen eine Strieme an den Rumpf der Peggy, die sich gewaschen hatte. Ich hatte die Schnauze voll! Nach langem Zögern und 2x Radio hören, blies ich unsere Tour ab. Niemals zuvor ist mir eine Entscheidung schwerer gefallen! Hatten wir doch noch für einen weiteren Tag an Bord der Peggy bezahlt. Aber der Wetterbericht verhieß nicht Gutes. Der Wind sollte weiter auffrischen und dauerhaft Windstärke 10 bft erreichen. Das gab den Ausschlag. Ich konnte und ehrlich gesagt, ich wollte auch nicht mehr die Verantwortung für meine Mannschaft, für mich und Peggy übernehmen. Ich war mit meinem Latein am Ende. Mir erschien eine Weiterfahrt bei diesem Wetter unverantwortlich. Wir steuerten den Heimathafen der Peggy an: Euro-Charter in Sneek. Als wir um 12:15 Uhr um die Ecke bogen, knatterten die Fahnen im Sturm und Nüssings staunten nicht schlecht. Einen Tag zu früh! Wir legten die Peggy in ihre Bucht und machten die Leinen fest. Bei einem Kaffee erzählten wir Nüssings unsere Missgeschicke. Da gab es ja auch Einiges zu erzählen. Sie hörten sich alles ruhig an und lachten dann. Das tat uns richtig gut. Wir waren auf ein Donnerwetter seitens Nüssings eingestellt, das kam aber nicht. Ganz im Gegenteil. Nachdem wir alle unsere Erlebnisse berichteten, bekamen wir erst einmal Aufklärungsunterricht in den Bereichen Schiffstechnik und Verhalten auf dem Wasser. Der gebrochen Rumpf, der uns die Nacht in Lemmer beschäftigte, stellte sich als eine besondere Rumpfform heraus, also ein Rumpf mit "eingebautem" Wellenbrecher. O.K., da haben wir dann auch gelacht. Wir erinnerten uns an die nächtliche Suche... Wir müssen demnächst halt nur darauf achten, die Peggy so anzulegen, das die Wellen nicht immer in diese Rumpfaussparung plätschern können. Dass wir dem alten Mann an der Jelteslootbrugg "gehorchten", wäre eine fatale Fehlentscheidung gewesen. Wenn wir bei diesem Wetter die Peggy sicher vertäut haben, bräuchten wir sie nicht wieder losmachen. Hätte ein anderes Schiff ebenfalls festmachen wollen, wäre es zur Not an der Peggy längsseits gegangen. O.K., auch kapiert. Wir sollten uns nicht weiter ärgern über den Brückenwärter. Der wäre dafür bekannt, Skipper vor seiner Brücke zappeln zu lassen. Aber seine Tage seien gezählt. Wenn an der Baustelle der Tunnel fertig wäre, würde "seine" Brücke abgerissen und er arbeitslos...Ich hatte irgendwie kein Mitleid mit dem Mann. Die Schrammen, die Peggy von uns bekam, würden mit einer Rolle Farbe ausgebessert. Wouw, so viel Coolness hatten wir nicht erwartet. Jetzt kam es uns zugute, dass wir unsere Reise vorzeitig beendet hatten. Wir fanden es unverantwortlich, weiter zu fahren. Nüssings erzählten, sie hätten schon Crews gehabt, die das anders gehandhabt hätten und anschließend mit einer abgerissenen Reling in den Hafen zurückgekommen sind. Die Tatsache, dass wir nichts verheimlicht und alles erzählt haben, hätte ebenfalls für uns gesprochen. Sie verzichteten auf eine Einbehaltung der Kaution. Damit hatten wir nicht gerechnet. Respekt! Abends gingen wir zusammen mit Nüssings in Balk essen. Wir kehrten erst nachts um 1:30 Uhr zurück zur Peggy. Es war ein sehr geselliger Abend, wir hatten viel Spaß. Das erlebte Verhalten vom Ehepaar Nüssing bezüglich der Schrammen, ist eines der Fundamente, auf dem meine Treue zu Euro-Charter beruht. Fehler passieren, sind aber kein Weltuntergang. Dass man bei g r o b f a h r l ä s s i g e m Verhalten nicht so glimpflich davon kommt, sollte aber trotzdem jedem klar sein. Natürlich stimmt es auch menschlich zwischen uns. Ich mag die beiden unheimlich gut leiden. Wir planen gerade die 9. Tour! Alle bei Euro-Charter.
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